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NewsBlog _ Rubrik: Politik + Finanzen

Information vom 05. März 2018

Realpolitik und virtuelle Welt

Wahrheit. Mission. Realität.

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Im Februar 2018, Wochen und Monate nach der 19. Bundestagswahl am 24. September 2017, scheint die Große Koalition so langsam Realität zu werden: Vorsitzender Martin Schulz tritt zurück, Deutschland verbreitet mit »Margela Schurkel für die GroKo« Humoresken, Andrea Nahles "kämpft" wie vor 30 Jahren als Leit-Frau für die Erneuerung der SPD und gleichzeitig erreicht die Partei – pfeifend aus dem letzten politischen Loch – mit prognostizierten 16% – einen historischen Tiefstand. Noch 1–2 Prozentpunkte und die AfD wäre zweitstärkste Fraktion im Bundestag (und nicht nur wahrscheinliche Oppositionsführerin). Ein politisches Debakel, das letztendlich dem Bitten der internationalen Bühne nach einer "stabilen Regierung" in Deutschland nachkommt? Das »Hü und Hott« muss beendet werden. Linke, Grüne und FDP schweigen und sind scheinbar ins Hintertreffen geraten. CDU/CSU hätten ebenfalls Paradigmen wechseln können, verstecken sich jedoch geschickt im Windschatten und verharren der Dinge.
 
Realpolitik und eigene Ideale
Die Realität in Berlin scheint dem Niedergang der Werte, moralisch vertretbaren, vernünftigen, politischen Visionen der Volksparteien, kaum mehr Paroli bieten zu können. Beinahe hilflos diskutieren die Politiker, umrahmt von tausenden Lobbyisten der Industrie, die ihre Interessen vertreten sehen möchten, distanzieren sich von Macht, spielen aber damit. Sind eine Volksvertretung, ein markt- und zielorientiertes Reagieren, ein gesellschaftlicher Mehrwert, eine Wertschätzung […] oder Verfolgen eigener Ideen und Ideale bzw. Programme einer Partei noch möglich? Werteorientierte Ansätze und Prinzipien der Völkerverständigung, der Gerechtigkeit […] oder des Weltfriedens können in der Regel von diesem Procedere nicht mehr berücksichtigt werden: Ideen sind verhandelbar? Verfehlt die Realpolitik durch persönliche Befindlichkeiten ihr Ziel oder sind ein kompromissbereites Fraktions-Co-Working, eine sinnstiftende Koalition oder stabile Mehrheitsregierung aufgrund der demokratischen Lager, Perspektiven, Programme und Ideale nicht möglich? Käme in diesem Fall eine CDU/CSU-Minderheitsregierung dem Willen der Wähler nicht am Nächsten?
 
Geistige Kläranlage, Positionierung und Wording
Welche Vision, welche Mission und welche Ziele verfolgen unsere Politiker? Wählt der Deutsche demokratisch Politiker, die die persönlichen Interessen vertreten oder entscheidet das Kreuz nur die Wahl einer Partei? Die fehlende Akzeptanz, Verdrossenheit, der Protestwähler, instabile Volatilität und der Griff zur politischen Peitsche zeigen, dass die öffentliche Meinung, die Ziele und Sichtweisen der Bevölkerung und resultierende, politische Ergebnisse nur wenig im Sinn der Majoritäten gestaltet wird. Der Unmut wächst, die bundesweite, mentale Kläranlage kann die Konzentration vorhandener Substanzen nicht mehr bewältigen. Trotzdem kann ein einheitliches Corporate Behavior in der Politik nicht gewollt sein. Parteien – wie der Name schon sagt – müssen parteiisch sein, sich unterschiedlich positionieren, Profile schärfen und klar voneinander abgrenzen. Die Diskrepanz zwischen Wählerstimmen gewinnen und klare Kante zeigen ist die Kunst der Politik. Fakt ist: Die Tonalität und der Irrglaube, wie in vergangenen Zeiten Wähler durch lautstarke Reden, Parolen und populistische Propaganda zu überzeugen oder sogar zu missionieren, ist falsch und sollte sich am Konzept der »Leisen und starken Worte« orientieren. Laut bedeutet nicht automatisch richtig.
 
Wie lassen sich radikale Tendenzen vermeiden?
Betrachten wir also die aktuellen Kollisionen und Konfrontationen aller Parteien als sinn- und zielführende Entwicklungen im Sinne der Verantwortungsethik und Demokratie. Die prozentuale Annäherung der unterschiedlichen Parteien, Fraktionen und Sichtweisen zeigt, dass der politische Kuchen keinen Schwerpunkt mehr möglich macht, der, wie "damals" in Bayern, eine absolute Mehrheit und damit verbunden uneingeschränktes politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Durchsetzungsvermögen spiegelt (keine Wertung!). Will man einen "Rechtsruck" oder Radikalisierungstendenzen vermeiden, müssen über alle Parteien hinweg entsprechende Schwerpunkte gesetzt, Risiken erklärt und jegliche religiöse, dogmatische, populistische, einseitige, fremdgesteuerte oder gewinnversprechende Behauptungen entkräftet werden. Jegliche diktatorische, gewaltverherrlichende Vision kann, wie auch in der Medizin, multiresistent anstecken, verseuchen und ggf. Logik, Sozialkompetenz und Leben gefährden. "Freie Radikale" können eben gefährlich sein und das Immunsystem muss physisch, psychisch und auch politisch funktionieren.
 
Mission impossible. Mission possible.
Das Leben ist real und kein Film. Realpolitik wird die Wünsche einer virtuellen Welt, die Ideale oder Visionen nie vollständig abbilden können. Visionen sind dazu da, dass man Sie erreichen könnte. Missionen definieren den Weg dorthin und sind richtungsweisend. Ziele können Missionen möglich machen und konkretisieren, und konkrete Maßnahmen sollen dazu führen, diese Ziele auch möglichst effizient zu erreichen. Wenn man also als Partei "erfolgreich" sein möchte, muss man die eigenen Ideale und Ziele so definieren, das eigene Profil so schärfen und das Programm so schreiben, dass es Wähler begeistert, überzeugt und im Sinne dieser Menschen und deren Interessen die Wähler für sich gewinnt. Orientierungswerte weisen einen Weg. Ob der Wanderer diesen nutzt, ist seine Entscheidung: Sie können ihn nicht dazu zwingen. Auch nicht durch Wahl-Propaganda. Wer einen Weg vorgibt, handelt im Sinne einer Diktatur.
 
Sondierungen und Reformen
Es gibt rund 7,6 Mrd. Wahrheiten und nur eine Realität. Alle Menschen – auch in Deutschland – überlegen sich teilweise genau, wie sie reagieren werden, wem sie ihre Stimme geben und wer ihre Meinung vertreten soll. In Deutschland leben derzeit 61,5 Mio. Wahlberechtigte, rund 75 Prozent gehen zur Wahl. Ein Viertel nutzt demnach die Wahl-Chance dieses Systems gar nicht. Die Nichtwähler bilden damit die zweitstärkste "Partei"! Das sollte uns zu denken geben. Die Sondierungsgespräche sind ein Zeichen dafür, dass sich die Parteien nicht seit Jahren in- und auswendig kennen, sondern erst vor einer möglichen Koalition "pokern" und Interessen vertreten. Reformen sind zudem ein nötiges Mittel den Prozess innerhalb einer Partei zu jeder Zeit. Politik sollte daher aus meiner Sicht das Prinzip der Olympischen Spiele übernehmen, zwischen den Wettbewerben agieren, trainieren, Prozesse verbessern, Reformen möglich machen, sondieren […] und bei der abschließenden Bundestagswahl wie beim Sport-Event finalisieren, gewinnen oder verlieren. Der Wettkampf am Ende ist nicht zum Verhandeln da! Die Athleten starten für ein Land, für eine Disziplin, in einem Wettbewerb. Die "Besten" sind am Start. Im Gegensatz zu den Visionen werden Parteien auch an tatsächlichen Ergebnissen gemessen. Die Vergangenheit entscheidet über die Zukunft. Wertschöpfung entsteht durch Wertschätzung. Also doch ein idealistisches und nachhaltiges System: Heute säen, morgen ernten.
 
»Grabe keinen Brunnen, wenn du Durst hat.«

GroKo 2018
Die Entwicklung des politischen Feldes und der Basisdemokratie in Deutschland erkennt man ganz aktuell daran, dass zuerst die Wähler abstimmen, dann z.B. auch die Sozialdemokraten ein schlechtes Ergebnis erzielen und umgehend mit einem neuen Hoffnungsträger an der Parteispitze verkünden, dass man nicht in eine »Große Koalition« eintreten wird. Ende September 2017 ist der Weg klar: Die SPD wird Oppositionsführerin. Nachdem die Jamaika-Sondierung scheitert und scheinbar keine Partei Interesse am Regieren hat, entsteht aus einer klaren Aussage die umgekehrte Haltung und es wird am Ende doch Koalitionsverhandlungen zwischen den einst so stolzen Volksparteien CDU, CSU und SPD geben. Der Parteivorsitzende Schulz tritt zurück und fünf Monate nach der Wahl steht die GroKo als Option erneut vor einer finalen Abstimmung. Der Unterschied: Diesmal entscheiden nicht über 61 Mio. Menschen über die Zukunft des Landes, sondern rund 463.000 Mitglieder, die bis Anfang März 2018 Ihr Mitgliedervotum abgeben können. Demokratie oder Parteipolitik? Gleichzeitig wird in Italien gewählt und Silvio Belusconi, Italiens ehemaliger "König" ist wieder da, der als mehrfacher Ministerpräsident (4x) aber auch Außen-, Wirtschafts- und Gesundheitsminister seine Interessen verfolgt hat. Als Ministerpräsident kann der Medienunternehmer nicht kandidieren und auch nicht wählen, wegen einer Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung von 2013. Kurz und gut: Das ist Europa 2018. Realpolitik?

Das Ergebnis
Seit knapp einem halben Jahr erleben Deutschland, Europa und die Welt, wie Demokratie in Deutschland bzw. ein Mitgliedervotum von etwa 5% der Gesamtbevölkerung funktionieren und wie eine "stabile Regierung" als Koalition oder Minderheitsregierung Europa führen soll. Aus meiner persönlichen Sicht, hatten die Sozialdemokraten für genau diese Definition der Realität und Mission viele Wochen Zeit, um intern zu einer Entscheidung zu kommen. Das ist nicht geschehen. Heute ist das Procedere öffentlich, 24.300 neue, meist einseitig gefärbte Mitglieder und auch die unter Juso-Chef Kevin Kühner mobilisierten GroKo-Gegner entscheidend. Das heute resultierende Mitgliedervotum und Wahlergebnis unter Vorlage des neuen Koalitionsvertrages:

"Soll die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) den mit der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Christlich-Sozialen Union (CSU) ausgehandelten Koalitionsvertrag vom Februar 2018 abschließen?

239.604 JA       123.329 Nein     14.043 ungültig

Am gestrigen Sonntag lobt der kommisarische Parteichef der SPD Olaf Scholz das mit 66,02 % Ja-Stimmen eindeutige Ergebnis: "Die Partei ist zusammengewachsen [...] Die SPD tritt in eine Koalition ein." Sind damit auch Deutschland und Europa "zusammengewachsen"? Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die GroKo kann damit kommen. Aus der Option wurde Realität. Was die Zukunft bringen wird und wie sich unser Verständnis von Demokratie, politischer Wahrheit und globaler Realität entwickeln wird, werden wir sehen.

Zitat des Tages

„Wer sich entschuldigt, klagt sich an.”

Stendhal
Bemerkung der Redaktion

Zwischen PR-Arbeit, Kampagnen, Schein und Sein gibt es trotz "Corporate Culture" klare Unterschiede. Entschuldigungen sind aber in jedem Fall eine mutige und gute Entscheidung.

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